Ratschen

Jedes Jahr an Ostern verstummen in Obertheres die Kirchenglocken. Anstatt der Glocken rufen nun die Ratschbuben mit ihren Ratschen von Gründonnerstag Abend bis zur Osternacht zum Gebet und Gottesdienst. Früher war dies bitter nötig, da nur wenige Menschen eine eigene Uhr bei sich hatten und die Kirchenuhr nicht immer sichtbar war. Schon zu Klosterzeiten wurde in der Osternacht zur "Rumpelmette" geklappert. An dieser Stelle möchten wir Ihnen diesen mittlerweile recht seltenen Brauch erst einmal näher vorstellen: Eine Ratsche ist ein Holzgerät, bei dem man durch Drehen einer Kurbel Holzhämmerchen in Bewegung bringt. Diese prallen auf das Holzgehäuse und erzeugen dadurch klappernde Geräusche. Das Ratschen wird in manchen Gegenden auch Ratsen oder Ratzen genannt.
 


 

In Obertheres kann man den Brauch des Ratschens bis in die letzten Jahrzehnte vor der Auflösung des Klosters (während der Säkularisation) bezeugen. Aus den Protokollbüchern geht hervor, dass die „Finster- oder Rumpelmette“ am Karsamstag in der Klosterkirche stattfand. Ihren Namen erhielt die Mette durch den Umstand, dass die Auferstehungsfeier in der Nacht begann und die Ratsch- oder „Rumpelbuben“ mit ihren Klappern, Ratschen und Rumpelkästen dazu riefen. Die älteren Bürger von Obertheres erinnern sich noch daran, dass der Brauch des Ratschens auch während der beiden Weltkriege ohne Unterbrechung in Obertheres ausgeführt wurde. Seit jeher ziehen die Buben am Gründonnerstag los, einstmals am Vormittag, heute nach der Abendmesse, die Jüngsten aus der ersten Schulklasse mit den leichten Klappern, die Zweit- und Drittklässler mit den Ratschen und die Ältesten bis zum letzten Jahrgang mit den großen, schweren Rumpelkästen, die vom Vater auf den Sohn vererbt werden.
 
In diesen aus Holz gefertigten Kästen hatte früher so mancher ein Fach mit einem Türchen zum Schließen, wo die Brotzeit für die lange Zeit des Klapperns aufbewahrt wurde. Zu den Zeiten, an denen sonst die Glocken läuten oder zum Gottesdienst einladen, laufen die Buben ratschend durch die Straßen, jeweils ein anderes Lied auf den Lippen. Heute noch singen sie das „Ave Maria“, den „englischen Gruß“, „Verstummt sind die Glocken“, „O heilges Kreuz sei uns gegrüßt“ und zur Auferstehungsfeier in der Osternacht: „Wir klippern und klappern zur Feuer- und Wasserweihe“. Die meisten, die einmal geratscht haben, können diese Lieder auch noch nach Jahrzehnten auswendig singen.

Die Mehrzahl der Ratschen sind schon seit vielen Generationen "in Betrieb"; Es gibt viele Dachböden und Keller in Theres, in denen Ratschen Lagern, die auf neue Benutzer warten. Die Instrumente wurden meist in Eigenarbeit hergestellt und werden bei Schäden auch immer wieder gerne von den Großvätern repariert. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es neben den traditionellen Ratschbuben auch Mädchen die diese Tradition am Leben erhalten. Die Jugendlichen die in der 9. Schulklasse sind, führen die Gruppe an und erledigt das organisatorische. Jeder der älter als diese Generation ist kann beim Ratschen nicht mehr teilnehmen; Die nächste Generation rückt automatisch nach. Aufgrund der Größe von Obertheres müssen sich die Gruppen mittlerweile in mehrere kleine Trüppchen aufteilen. Neben dem normalen Ratschen, was im Grunde nicht mehr als ein Klappern ist, gibt es auch die Taktratscher. Das Taktratschen ist etwas komplizierter, da man in einem bestimmten Takt ratschen muss. Die Taktratscher sind daher auch älter. Das Ratschen ist für die Kinder und Jugendlichen nicht umsonst. Am Nachmittag des Karfreitags laufen die Ratschbuben mit Körben (meist von den jüngeren Ratschbuben getragen) und ihren Ratschen von Haus zu Haus um Eier zu Sammeln. Die Taktratscher spielen drei Takte und bitten mit dem Spruch "Wir klippern und klappern für's heilige Grab, wir bitten um eine kleine Gab, wir bitten um ein Ei, wir nehmen auch zwei, drei." um eine kleine Gabe von der Bevölkerung. Bei Leuten die keine Kenntnis von diesen Brauch haben und neu in der Gemeinde waren, sorgte dies auch schon oft für Verwirrung. Früher kam es des öfteren vor, dass die Bauersfrauen den Buben entgegenliefen und ein extra Ei versprachen, sofern sie in der Nähe des Hauses nicht klapperten. Saßen nämlich die Gänze auf ihren Eiern zum Brüten, wären sie durch das laute Klappern aufgescheucht worden und hätten dann nicht mehr weitergebrütet.

Zu berichten wäre noch vom „Judasfeuer", das die älteren Ratschbuben anzünden bzw. anzündeten und darin den „Judas“ in Form einer Strohpuppe verbrannten. Manchmal schlugen sie dabei über die Stränge, so dass die Nachbarn zum Feuerlöschen kommen mussten, oder der Pfarrer über den reichlich genossenen Alkohol (während der Fastenzeit) schimpfte.

Am Karsamstag werden die gesammelten Eier und das Geld unter den Ratschbuben verteilt. Der Abschlussjahrgang hat dabei das Sagen und teilt nach einem bestimmten System. Die „Anfänger“ aus der ersten Klasse erhalten ein Ei, die Zweitklässler zwei Eier und so weiter. Den Rest behalten die Ältesten. Hin und wieder gibt es aber auch „Abzüge“. Wer nicht schön gesungen hat, zu spät zum Ratschen oder gar nicht kam und wer nicht im Takt ratschte, muß ein Ei oder mehr abgeben. Mancher hat auch schon drei Tage für Gottes Lohn die Ratsche geschwungen.
 

Bildergalerie der Ratschbuben:

- Die Ratschbuben 2001
- Die Ratschbuben 1997
- Die Ratschbuben 1996
- Die Ratschbuben 1938