Franz Wilhelm von Ditfurth

   

Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth, dessen Bruder Georg das heute noch bestehende Ditfurthschloss erbauen ließ, lebte von 1830 bis 1855 in Obertheres und gilt als der bedeutenste Sammler fränkischer Lieder. Er hat den Ruf Frankens, zu den liederreichsten und sangesfreudigsten gegenden Deutschland zu gehören, mitbegründet. Es bleibt sein Verdienst, dass er als einer der ersten auf die Zweistimmigkeit des Volksgesangs hingewisen hat.

Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth wurde 1802 in Dankersen bei Rinteln geboren. Als sein Bruder Georg 1830 Schloss Theres, die auf gehobene Benediktinerabtei kaufte, zog Franz Wilhelm mit ihm dorthin. Er ließ allerorten in den Dörfern der Umgegend des Schlosses Theres Bekanntmachungen anbringen, in denen er Handwerksburschen aufforderte, nach Schloss Theres zu kommen. Dort sollen sie ihm alle ihnen bekannten Lieder und Weisen vorsingen.

1855 brachte Ditfurth seine erste große Publikation heraus., die Fränkischen Volkslieder. Die zweibändige Sammlung ist eingeteilt in 400 weltliche und 180 geistliche Lieder. Diese Lieder wurden zum größten Teil zwischen Schweinfurt und Bamberg, nördlich und südlich des Mains, ja vorwiegend an einem einzigen Ort in Theres, gesammelt.

Ein Blick in diesen Liederschatz ist äußerst lohnenswert. denn der interessierte erhält nicht nur einen Einblick in die Volksfrömmigkeit, kann sich nicht nur an der Vielfalt und an den Melodien der Lieder erfreuen, sondern erfährt auch vieles über die Sorgen, Nöte und Freuden der Menschen. Die gante sakrale Geographie fränkischer Landschaft wird in den "geistlichen" Liedern sichtbar, mit Legenden, Gnadenbildern, Kapellen, und Heiligen. Die "weltlichen" Lieder ihrerseits sind geordnet nach den Themen "Balladen, Liebeslieder, Hochzeits- und Ehestandslieder, geschichtliche Lieder, Soldatenlieder, Jäger- und Wildschützlieder, Handwerkslieder und Verwandtes, Zechlieder und Vermischtes". Ditfurth nannte zu allen Liedern stets den Ort, an dem sie gesungen wurden. So ist heute noch festzustellen, dass viele Lieder an mehreren Orten gesungen wurden. In ihnen offenbaren sich sämtliche Gefühle, freudige und leidvolle Erfahrungen, menschliche Schwächen und Verbechen: vom Liebesglück bis zum Liebesleid, von der Treue bis zur Untreue, von der reinen Liebe bis zur Vergewaltigung, von der geburt bis zum Tod, von Selbstmord und Mord, von der Fluscht aus dem Kloster oder aus dem Regiment sowie vom Jagen und Wildern.

Die Texte sind klar und deutlich. Manchmal auch derb, erotisch oder anzüglich. Aus Theres zum Beispiel stammen dasSpottlied: "Jula ist das schönste Kind, wenn andre nicht zu Hause sind" oder die heitere Weise: "Recht vergnüget kann man leben, wenn man lebetohne Weib". Auch das von Emanzipüation geprägte Lied "Die Frau, die wollt' ins Wirtshaus gehn, der Mann der wollte auch mit gehn. Ei mann, du musst zu Hause bleib'n, musst die Schüssel und Teller reib'n", wurde in Theres damals gesungen.

Von der Liebesnot einer Frau spricht folgendes Lied: "Ich bin ein jung frisch Weibchen, und hab ein alten Mann, schön zart bin ich von Leibchen, das sieht man mir wohl an. Ich koch ihm täglich Eier und sellerich zum Salat, doch bleibt's die alte Leider: Er hat das Liebens satt!" Nekische Lieder gehören ebenfalls zum Repertoire: "Wenn du willst mein Schätzlein werden, musst du alles leiden: musst du mir aus schwarzer Kohlen, mache weiße Kreiden, musst du mir ein Kind gebären und ein Jungfrau bleiben".

Von seinen Aufenthalt im Schloss Theres von 1830 bis 1855 schreibt Dirfurth später: "Ich gewann bald die milde, schöne, reichgesegnete Gegend und ländliche Beschäftigung so lieb, daß ich länger dort gefesselt war, als ich zuerst beabsichtigte...zu gleicher Zeit eröffnete sich mir im dortigen Volksgesange ein so ergiebiges neues Feld, daß ich immer tiefer und emsiger in das Sammeln der Volkslieder gerieth, wobei mit musikalische Kenntinisse doppelt von Wert waren.

Im Herbst 1855 siedelte Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth nach seiner Heirat mit Thekla Wallis aus Leipzig, nach München über. 1859 kam er nach Nürnberg, wo er im Jahr 1880 verstarb.

von Ulrike Langer